Im Hundetraining sprechen wir oft von positiver Verstärkung – aber wie oft fragen wir uns wirklich:
„War das gerade überhaupt verstärkend?“
Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, selbst bei engagierten Hundehalter:innen (und manchmal auch Trainer:innen):
Die Annahme, dass ein Leckerli automatisch bedeutet, dass ein Verhalten verstärkt wurde.
Aber hier kommt die Wahrheit:
Ein Leckerli ist nur dann eine Belohnung, wenn der Hund es auch so sieht.
Lass uns etwas tiefer in dieses Thema eintauchen – und anschauen, warum es für effektives Training so entscheidend ist, den Unterschied zwischen „Leckerli“ und „echter Belohnung“ zu verstehen.
Verstärkung wird vom Lernenden definiert
Das ist das Fundament: Nur der Hund entscheidet, ob etwas tatsächlich verstärkend ist.
Wenn du nach einem Verhalten ein Leckerli gibst – und dieses Verhalten nicht häufiger auftritt, dann hat deine „Belohnung“ ihre Aufgabe nicht erfüllt.
Eine Belohnung wird nicht durch deine Absicht definiert, sondern durch ihre Wirkung.
Wenn das Verhalten nicht stärker wird, war der Verstärker nicht effektiv. Punkt.
Nicht jedes Leckerli ist gleichwertig
Selbst wenn du ein „leckeres“ Leckerli gibst, kann es in dem Moment völlig wertlos sein. Warum?
- Der Hund ist satt
- Die Umgebung ist zu ablenkend
- Der Hund hätte lieber etwas anderes (z. B. ein Spiel oder Bewegung)
Was in deiner Küche super funktioniert, kann im belebten Park völlig nutzlos sein.
➡️ Der Kontext verändert den Wert der Belohnung.
Deshalb „funktionieren“ manche Verhaltensweisen im Alltag plötzlich nicht mehr – der Verstärker kann mit der Umwelt nicht mithalten.
Manchmal kann ein Leckerli sogar wie eine Strafe wirken
Ja, wirklich: Ein Leckerli kann ein Verhalten schwächen, wenn es nicht das ist, was der Hund sich gewünscht hat.
Stell dir vor: Dein Hund zeigt in einer Trainingssituation ein tolles Verhalten – und erwartet ganz klar, dass er mit seinem Lieblingsball spielen darf.
Stattdessen gibst du ihm ein Stück Trockenfutter
.
➡️ Das kann zu Frust oder Enttäuschung führen – und das Verhalten wird seltener gezeigt.
So kann gut gemeinte Verstärkung ins Gegenteil umschlagen.
🐾 Hunde haben Belohnungshierarchien – und die verändern sich
Was ein Hund als wertvoll empfindet, hängt ab von:
- Erregungsniveau
- Hunger
- Tageszeit
- Trainingserfahrungen
- Umgebung
- ...
Ein Hund, der normalerweise auf Leberwurst fliegt, kann diese komplett ignorieren, wenn er gerade voll auf eine Suche konzentriert ist.
In dem Moment ist vielleicht ein Schnüffeln, Zergeln oder einfach nur Bewegung der stärkere Verstärker.
➡️ Ein guter Trainer beobachtet ständig – und passt den Verstärker dynamisch an.
Verstärkung ist mehr als Futter
Eine der wichtigsten Veränderungen, die Trainer:innen machen können, ist, das eigene Verständnis von Belohnung zu erweitern.
Futter ist bequem – und oft effektiv – aber viele Hunde sind mindestens genauso motiviert durch:
- Spiel
- Zugang zur Umwelt (z. B. eine bestimmte Stelle abschnüffeln)
- Bewegung (z. B. weitergehen an lockerer Leine)
- Arbeit (z. B. weiter suchen dürfen im Detection- oder Tracking-Training)
➡️ Lass dich (und deine Kund:innen) nicht auf „Futter oder Spielzeug“ beschränken.
Beobachte das Verhalten – nicht nur den Ablauf
Die einzige Möglichkeit herauszufinden, ob du wirklich verstärkst, ist:
Schau auf das Verhalten.
- Wird das Verhalten häufiger gezeigt?
- Wird es stabiler, klarer, sicherer?
- Bietet der Hund es aktiv an?
Wenn nicht: Zeit, den Verstärker zu überdenken.
Fazit: Beobachten statt annehmen
Unsere Aufgabe als Trainer:innen ist es, Kund:innen (und uns selbst) immer wieder daran zu erinnern:
Verstärkung basiert auf dem Ergebnis, nicht auf dem Aufwand.
Stelle dir regelmäßig diese Fragen:
- Was will dieser Hund genau jetzt?
- Ist mein Verstärker in dieser Umgebung stark genug?
- Wird das Verhalten besser – oder stagniert es?
Wenn du unsicher bist, hör auf deinen Hund.
Er wird dir immer zeigen, was wirkt – wenn du genau hinsiehst.
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